Frank DukOwski

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wurde in Wuppertal geboren, arbeitete am Staatstheater, in der Nervenklinik, in engen Kellern, im Baum und im Internet, lebt in Berlin und an anderen Orten und ... glaubt an höhere Mächte. Dieser Blog soll dazu dienen, Geschichten, Gedichte, Fotos und Filmexperimente zu veröffentlichen, kurz: Dinge, die (wenn nicht in Lesungen) bislang kein passendes Podium hatten.

Freitag, 28. Februar 2014


Deutschlandradio Kultur
2.1.2014

E-BOOK
Frank Dukowski: "Vor dem Pilzgericht"
Von Marten Hahn


Pilze aus freier Wildbahn (dpa)
Lass uns in die Pilze gehen. Das sagt man so. Bis man dieses Buch gelesen hat. Danach hat man Angst vor Pilzen, überhaupt vor der Natur. Frank Dukowski lässt den Wald als den unheimlichen Ort wiederauferstehen, der er für die Menschen seit jeher war, als einen "Ort des Übernatürlichen, des Unmenschlichen".
Das ist die Geschichte: Der kleine Thomas zieht in "Vor dem Pilzgericht" mit seinem reichlich dysfunktionalen Elternhaus in den Wald, fernab der Zivilisation. Nach ersten zögerlichen Streifzügen fällt Thomas einer selbst erdachten Naturreligion anheim. Er begegnet der wilden Myriam, die ihn einführt in die Geheimnisse des Waldes und vor allem in die Geheimnisse der Pilze. Myriam, die nirgendwo zu wohnen scheint, außer in Thomas Kopf. Myriam, das Antidot zur Realität. Myriam, die vielleicht nicht ganz unschuldig daran ist, dass der erwachsene Thomas später beschuldigt wird, zwei Mädchen getötet zu haben.
Einzigartige Pilz-Novelle
Frank Dukowski lebt als Schauspieler in Berlin und schreibt Theaterstücke, Geschichten und Lyrik. "Vor dem Pilzgericht" ist sein erster längerer Prosatext. Gedruckt wäre "Vor dem Pilzgericht" allerdings nur ein Büchlein. Und das ist die Geschichte hinter dem Buch: Dukowskis einzigartige Pilz-Novelle ist als E-Book erschienen. Sie existiert also 'nur' als Datensatz, herausgebracht vom noch jungen Berliner E-Book-Verlag Das Beben.
Die Verlagsgründer – eine Gruppe von Buchhändlern, Übersetzern, Autoren und Schreiblehrern – taten sich 2012 zusammen, weil sie unzufrieden waren mit dem Angebot der großen Verlage. Zu selten fanden sie dort Außenseiterbücher und kurze Texte. Das Beben hat es sich deswegen zur Aufgabe gemacht, die Novelle wieder aufleben zu lassen. Eine kurze Form, die große Verlage auf Papier kaum wirtschaftlich produzieren können, die beim Publikum aber sehr beliebt ist – wie geschaffen also, als E-Book verlegt und vertrieben zu werden. Die kurze Form und das E-Book: Nur einige wenige der Großen, wie Amazon und Suhrkamp, haben das erkannt und führen Kurzgeschichten und kurze Sachtexte als digitale Lektüre im Programm.
Doppelbödig, fesselnd, schaurig
Im US-Magazin "The New Yorker" pries der britische Autor Ian McEwan in einem Essay einmal "die ökonomischen Erfordernisse" die den Novellenautor dazu zwingen, seine "Sätze hinsichtlich Präzision und Klarheit aufzupolieren". "Sie schwafeln und predigen nicht, sie verschonen uns mit verfünffachten Nebenhandlungen und aufgeblasenen Mittelteilen." McEwan glaubt, dass die Novelle die perfekte Form der Prosa verkörpere. Für ihn ist sie "die schöne Tochter eines umherstreunenden, aufgeblähten, unrasierten Riesen (wenn auch eines Riesen, der zu seinen besten Zeiten ein Genie ist)".
Dukowskis Pilz-Novelle illustriert all das sehr schön. Und dazu ist dieser Text wunderbar dunkel und doppelbödig, fesselnd, schaurig und radikal anders. Man klickt das Buch zuletzt mit dem Gefühl beiseite, selbst in einen Fliegenpilz gebissen zuhaben. Was als Erweckungserlebnis für den kleinen Thomas beginnt, wird zur Wahnvorstellung – auch für den Leser. Ein kleines Buch mit großer, halluzinogener Wirkung. Unbedingt lesen!

Frank Dukowski: Vor dem Pilzgericht
Das Beben, Berlin, 2013

Nur als E-Book, 3,49 Euro